Michael – Einen Monat Velos reparieren

„Im Dezember 2014 habe ich während vier Wochen mein Büro gegen einen Arbeitsplatz unter freiem Himmel eingetauscht, zu Zange und Schraubenzieher anstelle von Kugelschreiber und Computer gegriffen und mich in Kambodscha als Velomechaniker bei der Ponheary Ly Foundation ins Abenteuer gestürzt.

An zwei verschiedenen Partnerschulen will ich zusammen mit den Schülerinnen und Schülern die Fahrräder auf Vordermann bringen und ihnen dabei die wichtigsten Kniffe und Tricks vermitteln, damit sie ihr Velo in Zukunft selbständig in Stand halten können. Ein eigenes Fahrrad ist für die meisten dieser Kids unverzichtbar, da sie häufig viele Kilometer von der Schule entfernt wohnen.

Bereits mit der Ankunft am Flughafen von Siem Reap tauche ich ein in eine komplett andere Welt: Lebendig, farbig, intensiv und pulsierend – so sind meine ersten Eindrücke dieser fremden Stadt, die mich schon auf der Fahrt vom Terminal zum Seven Candles Guesthouse in Beschlag nimmt und fortan nicht mehr loslässt.

Von der Familie der Partnerorganisation werde ich herzlich in Empfang genommen und schon am nächsten Morgen geht es in aller Frühe los! Erster Stopp: Der winzige Fahrradshop in der Nähe des Marktes, wo wir Werkzeuge und Ersatzteile kaufen und in Reissäcken verpackt ins TukTuk verladen. Die holprige Fahrt zur Knar Schule weit draussen auf dem Land wird zum Freilichtkino erster Güte! Vorbei geht es am geschäftigen Treiben auf den Strassen, an mächtigen Tempelanlagen, grasenden Kühen und zahlreichen Menschen, die schon zu früher Stunde gebückt in den Reisfeldern arbeiten. Überhaupt scheint hier jedermann in ständiger Bewegung zu sein – es dauert nicht lange, und wir überholen die ersten Kinder, die auf ihren Fahrrädern unterwegs zur Schule sind. Die staubig-schlammigen Naturstrassen und unzählige Schlaglöcher stellen ihre Drahtesel dabei auf eine harte Probe. An Arbeit wird es also nicht mangeln!

Bei der Schule angekommen, werde ich von den Jugendlichen begrüsst; zu Beginn noch etwas vorsichtig und zurückhaltend, überwiegt bald die Neugierde und nachdem wir unsere „Werkstatt“ eingerichtet haben, ist die Scheu endgültig verflogen. Von allen Seiten bringen die Kids nun ihre Fahrräder, vor allem die Jungs sind voller Tatendrang. Zum Glück unterstützt mich Esa, mein TukTuk-Driver, tatkräftig und hilft auch immer dann weiter, wenn Hände und Füsse zur Verständigung nicht ausreichen. Viele Kinder sind unglaublich geschickt und wissen mit dem Werkzeug schon perfekt umzugehen, so dass ich mich manchmal frage, wer hier von wem lernt! Es ist schön zu sehen, wie sie strahlen, wenn sie mit ihrem geflickten Velo stolz davon fahren.

Obschon natürlich jeder der Erste sein will, der neue Pneus oder frische Bremsklötze erhält, erstaunt mich, wie diszipliniert die Kinder ihre Fahrräder aufreihen, es kommt weder zu Vordrängen noch zu Streitigkeiten. Überhaupt beeindruckt mich, wie friedlich und fürsorglich die Kinder miteinander umgehen. Hier wird niemand gemobbt oder vom Spielen ausgeschlossen, die Älteren kümmern sich vorbildlich um die Kleinen, wer Unterstützung benötigt, dem wird mit grösster Selbstverständlichkeit geholfen.

Diese Herzlichkeit und Grosszügigkeit wird mir ganz besonders in Erinnerung bleiben – keine Selbstverständlichkeit, nachdem ich gesehen habe, in welchen teils prekären Verhältnissen die Leute hier leben.

Die Zeit vergeht wie im Fluge, kein Tag ist wie der andere. Flexibel zu bleiben und den „Cambodian way of life“ anzunehmen, hilft mir mit den Menschen und ihren Sitten vertraut zu werden. Mit jedem Tag wachsen mir die Schüler mehr ans Herz, nebst dem Veloflicken spielen und lernen wir zusammen und lernen uns so gegenseitig besser kennen.

Am Ende habe ich das Gefühl, dass mein Aufenthalt hier viel zu kurz war! Es gäbe noch so viel zu tun!

Den Kindern habe ich versprochen, nächstes Jahr wiederzukommen; 2015 sehen wir uns wieder!“